Stykkishólmur ist ein 1200-Seelen-Dorf im Norden der Snaefellsnes-Halbinsel. Hier findet man alle Landschaften, die das ganze Land prägen. Vom Hafen aus führt die Küstenstraße durch ein Lavafeld namens Berserkjahraun. Es ist die Heimat der Eyrbyggia-Saga aus dem 13. Jahrhundert: Zwei starke und ungebärdige (was für ein Wort!) Männer lebten und arbeiteten auf dem Hof eines Wikingers. Eines Tages wollte einer von ihnen die Tochter des Herren heiraten. Der Vater knüpfte seine Einwilligung an eine schier unlösbare Aufgabe: Zunächst sollte ein Weg durch das Lavafeld gebaut werden. Die Berserker konnten die Forderung erfüllen. Doch der Hofherr hielt sich nicht an die Abmachung und ließ die Brüder töten und in dem Feld begraben.“ Bis heute ist ein mittelalterlicher Weg in dem Lavafeld erhalten geblieben und Archäologen fanden bei Forschungsarbeiten ein Grab mit zwei männlichen Skeletten.
Kolgrafafjördur – das Geheimnis der toten Heringe
Zum Glück wird die Landschaft kurz danach wieder versöhnlicher: Das eintönige Lavagrau wird abgelöst von satten Farben, die idyllisch wirken. Vor saftigem Wiesengrün und tiefem Himmelsblau weiden Ziegen und Schafe. Am Rand der Fjorde stehen kleine Häuser, die so wirken, als seien sie nur halbfertig: Sie haben ein Dach, aber keine Fenster. Hier reifen Gammelhai und Schellfisch – bis zu drei Monate lang. Ich möchte nicht wissen, welchen Duft sie im Sommer verbreiten. Und doch liegen auch hier noch andere Abgründe verborgen: Im Kolgrafafjördur sind bereits mehrmals Zehntausende von Heringen verendet. Niemand weiß genau, warum. Eine These ist, dass der Sauerstoffgehalt im Fjord aufgrund von Aufschüttungsarbeiten in der Nähe der Bucht abgesunken ist. Als die Fische merkten, dass nicht genug Sauerstoff im Wasser ist, war es schon zu spät. Und ihre bereits verendeten Artgenossen senkten den Sauerstoffgehalt noch zusätzlich. Für die Vögel und Wale war das Massensterben natürlich ein Fest.
Es geht vorbei am Aristokratengefängnis mit hauseigenem Golfplatz nach Rif. Im ehemals größten Fischerdorf Islands wurde der Salzfisch erfunden. Heute gehört der verschlafene Ort den Küstenseeschwalben. Über den gefährlichen Hellissandur kommen wir an die Nase der Halbinsel. Braune Strände öffnen sich zum Atlantik hin, nur wenige Touristen sind zu sehen. Von Gras bewachsene, traditionelle Erdhäuser drücken sich in die Hügel, nur die Reichen konnten sich Holz zum Hausbau leisten. Kleine Wasserfälle stürzen an braunen Felsen hinab.
Snaefellsjökull – der Eingang zum Mittelpunkt der Erde
Der Blick auf den Snaefellsjökull wird immer schöner. Der 1.446 Meter hohe Vulkan am westlichen Ende der Halbinsel liegt unter einem mächtigen Gletscher verborgen. Wo Eis auf Feuer liegt, muss einer der Hauptenergiepunkte der Welt beheimatet sein. 1999 campierten UFO-Fans in der Region und schienen nicht einmal enttäuscht als ihr erhoffter Besuch unsichtbar blieb. Außerdem ist hier laut Jules Verne auch der Eingang zum Mittelpunkt der Erde verborgen. In Arnarstapi, wo seine Romanhelden ihre Expedition starteten, steht eine große Steinskulptur des Künstlers Ragner Kjartansson. Sie ist Bárður gewidmet, dem ersten Siedler der Region. Das Trollblut in seinen Adern soll ihn besonders stark gemacht haben, außerdem war er ein begabter Zauberer. Seine Tochter Helga gilt übrigens als Entdeckerin Grönlands. Sie trieb auf einer Eisscholle bis an die Ufer des 287 Kilometer entfernten Nachbarlandes, weil Bárðurs Neffe nicht auf sie aufgepasst hatte. Dass er dafür sterben musste, ist nur zu logisch, oder? Trotz seiner Berserkertaten gilt Bárður als Schutzpatron der Region. Er soll noch heute im Vulkan sitzen und seine Schätze bewachen.
Auf dem Rückweg nach Stykkishólmur erhebt sich der heilige Berg Helgafell immerhin 73 Meter über die Wasseroberfläche. Hier soll einst ein Thor-Tempel gestanden haben. Aber auch nach der Christianisierung und bis heute hält sich der Glaube, man müsse den Berg besteigen, ohne nach rechts oder links zu sehen und sich dann schweigend gegen Osten verneigen, damit Wünsche in Erfüllung gehen. Von diesem magischen Ort hat sich eine liebe Kollegin bei ihrem Islandroman inspirieren lassen. Schaut doch mal rein: Drei Wünsche im Wind von Susan de Winter.
Lóngdrangar heißen diese zwei Lavafelsen, die wie Trolle aufs Meer schauen. Der größere der beiden ist 75 Meter hoch. Halbtrolle – halb Troll, halb Mensch – sind übrigens nicht gefährlich, sondern bieten Schutz.
aus: Verliebt in einen Mörder – ein Islandkrimi