Höfn ist ein kleiner Hafen im Osten Islands – am Rande des riesigen Vatnajökulls. Der größte Gletscher Islands breitet sich über mehr als 8.000 Quadratkilometer aus, bedeckt also etwa 8 Prozent der Landesfläche. Es ist erschreckend, wie wenig Eis wir auf unserem Weg zur Gletscherlagune Jökulsarlon sehen. Viel zu große Moränen schiebt der Vatnajökull vor sich her, nur an manchen Stellen lugen die schmutzigen Gletscherzungen dazwischen hervor. Um 100 bis 200 Meter pro Jahr schmilzt der größte Gletscher Europas jenseits der Polarregionen jährlich dahin, die Isländer sehen regelrecht dabei zu, wie er stirbt.
Passend dazu erstreckt sich vor den Fenstern brachliegendes Ödland. „Wer sich auf Island im Wald verirrt hat, der muss nur aufstehen“, erklärte der Lektor vorab. Und er hatte recht: Bäume sind auf Island eine Seltenheit. Der Großteil der Landschaft im Osten wird von erodiertem Land geprägt, die Berge scheinen vom Gewicht des Gletschers schief gewachsen. Hier und da zeigt sich mal eine Raubmöwe oder ein Singschwan, die das düstere Bild ein wenig auflockern. Einige grüne Schafwiesen spenden Trost. Erstmals seit Beginn der Reise sehen wir Kühe. Auch Pferde gibt es hier, informiert unsere Reiseleiterin, ebenso wie Rentiere, die erst beim dritten Ansiedlungsversuch im 18. Jahrhundert überlebten. Aber von den 5.500 Tieren zeigt sich kein einziges.
Jökulsarlon – Stirb an einem anderen Tag
Die Gletscherlagune Jökulsarlon ist einer der Orte, wo das Eis vom Vatnajökull ins Meer treibt. Bei unserer Fahrt mit dem Amphibienfahrzeug klicken die Kameras im Akkord – kein Wunder, dass hier bereits Szenen für mehrere Hollywood-Filme gedreht wurden. Dazu zählen zwei James Bond-Streifen sowie Tomb Raider und Batman Begins. Auch wir lichten nun die dekorativen kleinen Eisberge in Blau, Schwarz und Weiß ab, dazwischen modelt eine Kegelrobbe.
Julie folgte dem Eis auf seinem Weg ins Meer. Am schwarzen Strand lagen glitzernde Eisberge, die von der Brandung wieder angespült wurden. Mit Fantasie konnte man darin allerhand Fabelwesen erkennen. Und glücklicherweise lugte sogar die Sonne für ein paar Fotos hervor. Nachdem Julie Dutzende Aufnahmen gemacht hatte, beschloss sie: Das unwirkliche Swarovski-Paradies war genau der richtige Ort, um den Brief zu lesen. Mit zittrigen Fingern riss sie den Umschlag auf und faltete den Zettel auseinander.
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Schwarzer Wasserfall in Basalt gekleidet
Im Skaftafell-Nationalpark besuchen wir den Svartifoss und treffen zum ersten Mal seit langem wieder auf größere Touristengruppen. Der „schwarze Wasserfall“ ergießt sich zwar nur 20 Meter in die Tiefe, wird dabei aber von fotogenen geometrischen Basaltsäulen eingerahmt. Die kleine Wanderung vom Informationszentrum in Skaftafell (1,9 Kilometer pro Richtung) lohnt sich auf jeden Fall. Außerdem gibt es hier auch einen Lehrwanderweg zu den geologischen Besonderheiten des Gletschers – mit 14 ausgeschilderten Stationen. Noch vor 100 Jahren war der Weg vom Eis bedeckt. Heute können Besucher den Wandel der Landschaft anhand von Gesteinsschichten, Wasserbecken, ehemaligen Flussläufen und Moränen nachvollziehen. Wo früher Gletscherschnauzen lagen, sind heute Lagunen beheimatet, alte Flüsse sind vertrocknet und neue entstanden – die Natur ist in stetem Wandel begriffen.
Der Kampf von Magma, Fels und Eis
Die beeindruckenden Basaltgänge werden auf isländisch auch tröllahlöð genannt, „Wände, die von Trollen aufgestellt wurden“. Die wissenschaftliche Erklärung zur Entstehung ist nicht weniger spektakulär: Basaltmagma fließt in Gesteinsspalten und kühlt aus. Während des Aushärtens verengt sich die Masse und mehreckige Säulen entstehen im rechten Winkel zur Oberfläche. Die Hitze des Magmas schwächt den umliegenden Stein, sodass dieser später erodiert und die widerstandsfähigeren Säulen zurückbleiben.
Auch Tufffelsen liegen am Wegesrand. Tuff entsteht durch vulkanische Eruptionen unterhalb der Wasseroberfläche! Das aufsteigende Magma erstarrt sofort, wenn es in Kontakt mit dem alten Wasser kommt. Dampfexplosionen katapultieren die Asche durch das Wasser oder sogar in die Luft. Nur wenige Meter weiter zeigt die Felsoberfläche Frostsprengungen auf: Wenn Wasser gefriert, dehnt es sich um neun Prozent aus. Die dabei entstehende Kraft kann sogar Steine brechen. Island demonstriert uns auch im Vatnajökull-Nationalpark einmal mehr die beeindruckenden Naturgewalten.