Es war ein kalter Tag im Januar 1973. Um die kleine isländische Insel Heimaey tobte ein Sturm. Die gesamte Fischerflotte lag im sicheren Hafen, als der Eldfell erwachte. Die Erde begann zu beben und eine Spalte zum Erdinneren tat sich auf… Was wie der Beginn einer Geschichte klingt, ist reale Vergangenheit.

Ich stehe mit dem Autor und Journalisten Óttar Sveinsson am Bug, er zeigt mir, wo die neue Lava sich erstreckt. Wie man mit dieser ständigen Gefahr leben kann? „Wir Isländer sind einfach daran gewöhnt“, sagt er. „Allein in meinem Leben gab es schon 40 Ausbrüche.“ Er ist Jahrgang 1958. Und selbst nach dem dramatischen Ereignis 1973 hier seien die Menschen zurückgekehrt. Von diesem unerschütterlichen Optimismus könnten wir Deutschen uns wirklich mal eine Scheibe abschneiden!

Innerhalb weniger Stunden konnten damals dank der Fischerboote im Hafen mehr als 5.000 Personen evakuiert werden. Ein halbes Jahr lang spuckte der Eldfell Feuer. Beinahe hätte die Lava den Hafen verschlossen. Doch dann versiegte der Strom kurz vor der Hafeneinfahrt. Die Isländer hatten ihn mit Wasserkanonen beschossen und so zum Erkalten gebracht. Dieser Tag wird jährlich am 3. Juli gefeiert. An dem Punkt, wo die Lava gestoppt werden konnte, steht heute eine schwarze Holzkirche, ein Geschenk aus Norwegen. Daneben befindet sich Landlyst, das zweitälteste Gebäude Islands, heute ein kleines medizinisches Museum.

Eine Wanderung auf den Eldfjell gehört einfach zum Besichtigungsprogramm dazu. Sie lässt das Ausmaß des Vulkanausbruchs deutlich werden. Die Erdspalte, die sich als erstes aufgetan hat, ist klar zu erkennen. Angesichts der Lavamassen, die sich auf der kleinen Insel auftürmen, grenzt es an ein Wunder, dass bei dem Vulkanausbruch niemand gestorben ist. Und tatsächlich ist die Vulkanaktivität noch heute zu spüren.

Julie war froh, heute auf eigene Faust unterwegs zu sein. Eingehüllt von Nebel und Regen knirschten ihre Schuhe über den rot-schwarzen Kies. Zwischendurch blitzten bunte Steine aus der grauen Einöde hervor: Gelb, Grün, Orange. Immer wieder legte sie eine Hand auf den Boden, um die Wärme des Vulkans zu spüren, von der Anouk erzählt hatte. Doch der Boden blieb kalt. Sie kam sich albern vor.

Plötzlich tauchten aus dem Nebel riesenhafte Schemen auf, Lava-Ungetüme mit unregelmäßigen Zackenkonturen. Der Pfad wurde schmaler, der Gipfel nahte. Noch vor 45 Jahren hatte es diese Erhebung nicht gegeben Irgendwann flirrte tatsächlich Hitze über dem Boden, ein warmer Luftstrom entwich feuchten, schwefelgelben Spalten. Der Feuerberg sandte weiterhin Lebenszeichen.

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Etwa 100 Gebäude wurden von der Lava überrollt. Ein paar davon sind heute im Museum Eldheimar zu sehen. Die Pyroklastika wurden zur Landgewinnung genutzt, Platz für 200 neue Häuser entstand. Wärmekraftwerke versorgten immer mehr Häuser mit umweltfreundlicher Energie. Und die 40 Meter hohen Lavawälle schützen den Hafen heute besonders gut gegen Winterstürme aus dem Osten. Die Macht der Natur wurde zum Guten gewendet.

Heimaey ist übrigens die einzige ständig bewohnte Westmännerinsel. Das Archipel aus 14 Inseln, 30 Schären und 30 Felsen gehört zu den jüngsten Landmassen Islands. Die zweitgrößte Insel Surtsey – der südlichste Punkt Islands – entstand erst 1963. Heimaey gehört zu den reichsten Städten Islands. Die 4.300 Einwohner leben vorwiegend vom Fischfang. Und sie leben mit der ständigen Gefahr einer neuen Eruption. Der Eldfell ist übrigens nur einer von mehreren Vulkanen vor der Küste Islands. Und Wissenschaftler vermuten die Magmakammer des Systems direkt unter der Insel.

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