Auch in Seydisfjördur heißt uns der Geruch von Fisch willkommen. Das ist nicht verwunderlich, denn auch diese kleine Gemeinde in der Region Austurland im Osten Islands entwickelte sich Ende des 19. Jahrhunderts durch den Heringsfang zu einer stattlichen Größe. Heute leben etwa 700 Menschen in Seydisfjördur. Und auch wenn es auf den ersten Blick nicht unbedingt so wirkt: Die Stadt ist von internationaler Bedeutung. Am Ende des Seydisfjords macht nämlich einmal pro Woche die einzige Autofähre fest, die Island mit den Färöer Inseln und Dänemark verbindet.

Von Klangräumen und Skulpturvorgärten

Bei einem Rundgang durch die Straßen Seydisfjördurs kommen dem Besucher allerhand Skulpturen und bunt bemalte Häuser vor die Linse. In der Skaftfell Gallerie wird moderne Kunst ausgestellt, einmal pro Jahr findet ein internationales Kunstfestival für junge Kreative statt. Überall in der Stadt gibt es in liebevoll ausstaffierten kleinen Geschäften lokale Handwerkskunst zu kaufen – individuelle Mitbringsel für die Daheimgebliebenen.

Selbst ein deutscher Künstler hat sich in Seydisfjördur verewigt: Lukas Kühnes Toninstallation liegt rund 20 Minuten Gehweg vom Ortskern entfernt. Fünf Betonkuppeln mit einer Höhe zwischen zwei und vier Metern resonieren in den Tönen der isländischen Fünf-Ton-Harmonie. „Tvísöngur“ heißt das Kunstwerk, benannt nach dem isländischen Zwiegesang, dessen Mehrstimmigkeit sich an parallelen Quinten orientiert.

Isländische Geschichte im technischen Museum

„In Seydisfjördur kam das erste Unterseetelefonkabel Islands an“, erzählt Pétur Kristjánsson vom technischen Museum für Ostisland stolz. „Es wurde 1906 verlegt und endete im ältesten Haus der Stadt, das zur ersten Telegraphenstation des Landes wurde.“ Das schlichte Bauwerk wurde 1894 für den norwegischen Unternehmer Otto Wathne errichtet. Er war einer der Mitbegründer der fischverarbeitenden Industrie in der Region. 1909 machte das Haus zum zweiten Mal Schlagzeilen, als hier die erste Elektrizität erzeugt wurde. Über große Riemen wurde ein Generator mit der Kraft des Wasserfalls am Hang hinter der Straße angetrieben.

Außerdem gibt es im Museum gleich mehrere Druckmaschinen aus der Sammlung des Schweizer Künstlers und Grafikers Dieter Roth zu entdecken. Sie stammen aus den 1960er-Jahren, funktionieren aber noch tadellos, wie Kristjánsson mit dem Probedruck eines Infoflyers demonstriert. Seine Sammlung wirke nicht nur chaotisch, sie sei auch chaotisch, gibt er zu. Aber er führt gerne persönlich von Raum zu Raum. Vorbei an ausrangierten Schalttafeln und Filmprojektoren, an einem Kartenplotter und einem Geländefotografiegerät geht es bis zum Gussofen von 1918, der 2000 Kilogramm Eisen pro Stunde schmelzen kann. Auch heute wird er noch angefeuert – beim jährlichen Eisenschmied-Festival Ende Juli. Ein Besuch lohnt sich: https://www.seydisfjordur.org

Julie spürte Hitze in ihrem Gesicht aufsteigen. Die Füße schmerzten zunehmend in den schweren Trekkingschuhen. Der schüchterne Guide in Jogginghose schlidderte hingegen leichtfüßig über die Schneefelder, als hätte er unsichtbare Skier unter die Chucks geschnallt. Sie musste dringend mehr Sport machen. Sie war schon ganz außer Atem. Wie peinlich! Auf den Wiesen standen vereinzelte Schafe und schienen ihr belustigt zuzusehen. Trotzdem tat die körperliche Bewegung gut und brachte Ruhe in Julies Kopf, der tausend Fragen stellte. Sie alle standen unter einem Motto: Hatte sie sich in diesen großen, traurigen Jungen verguckt?

aus: Verliebt in einen Mörder von Jennifer Summer

Vielfältige Outdoor-Angebote in Seydisfjördur

Und natürlich hat Seydisfjördur wie so ziemlich jede Region Islands auch wunderbare Naturpanoramen zu liefern. Bei einer Wanderung in die umliegenden Berge trifft man auf freilaufende Schafe, Schneefelder, die bis in den Sommer hinein weiß strahlen, Wildbäche und Wasserfälle. Rund um das Naturreservat Skalanes lassen sich Dutzende der 47 Vogelarten beobachten, die Seydisfjördur jeden Sommer besuchen. Wer Lust aufs Wasser hat, bucht einfach eine begleitete Kajaktour oder einen Tauchausflug zum Wrack des Öltankers El Grillo. Sogar einen Golf Club gibt es hier. Im Winter kann man unweit von Seydisfjördur auch skifahren.

Mehr Island gibt es in meinem Roman „Verliebt in einen Mörder“. Der romantische Krimi spielt auf einer Islandrumrundung und punktet mit vielen isländischen Geschichten und Landschaftsbeschreibungen. Die digitale Version ist derzeit exklusiv für 3,99 Euro im Amazon Kindle Shop erhältlich.

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