Sie starrte auf den Horizont, bis sich dunkle Konturen aus dem Nebel schälten. Das mussten Ausläufer des Rif-Gebirges sein. Sie war noch nie in Marokko gewesen und freute sich auf Casablanca. Julie stellte sich vor, wie Sergey mit seinem osteuropäischen Akzent „Schau mir in die Augen, Kleines!“ sagte und musste lächeln.
aus: „Zwischen Meer und Sternen“ von Jennifer Summer
Marokko beeindruckt als Land der Gegensätze. Während neue Hochgeschwindigkeitszüge gebaut werden, stehen die Menschen an der Autobahn, um eine Mitfahrgelegenheit in die Hauptstadt zu ergattern. In den Vororten wechseln sich Slums und moderne Autohäuser ab. Nahe der unvollendeten Moschee entstehen am Fluss Bou-Regreg – einst eine Piratenrepublik – Marina und Fünf-Sterne-Hotel. Und das authentische Hühnchen aus der Tajine, serviert in einem marokkanischen Haus, ist für viele Passagiere eines Kreuzfahrtschiffes der Höhepunkt des Landausfluges.
Marokko fasziniert aber auch als sprichwörtlicher Schmelztiegel der Kulturen: Während im Rif-Gebirge spanische Eroberer Fuß fassten, hatten in der heutigen Hauptstadt Rabat hingegen die Franzosen die Oberhand. Und so gibt es quadratische Minarette, die in ihrer Form Kirchtürmen ähneln. Der Ruhetag ist wie in der katholischen Welt der Sonntag und der in der islamischen Kultur verankerte Freitag. Ein Karton am Straßenrand ist in drei Sprachen beschriftet: Arabisch, Französisch und Tamazight. Seit 2011 ist der Berberdialekt offizielle Amtssprache im Königreich.
Stippvisite in Rabat
Bei meinem Besuch von Marokko legte das Schiff in Casablanca an und der Landausflug führte nach Rabat. Knapp zwei Stunden braust der Bus entlang der Küste bis in die Hauptstadt des Landes. Die Altstadt liegt im Schutz der almohadischen Stadtmauer. Es herrscht reges Treiben zwischen den jahrhundertealten Steinen. Dagegen ist es im Garten der Kasbah erstaunlich ruhig. Die Festung wacht auf dem Oudaia-Felsen über den Schiffsverkehr auf dem Atlantik. Von der Aussichtsterrasse eröffnet sich der Blick auf den Fluss, an dessen Ufern die Stadt ihren Anfang nahm und die Nachbarstadt Salé.
Die Ville Nouvelle bildet dagegen als französische Planstadt einen massiven Gegenpol: eine koloniale Neustadt mit Villen im Art-déco-Stil, Banken und Regierungsgebäuden und natürlich dem Königspalast. Die schneeweiße Kathedrale Saint-Pierre wird kontrastiert vom freistehenden Hassan-Turm. Er sollte einst das Minarett der zweitgrößten Moschee der Welt werden. Doch beim Erdbeben von Lissabon wurde der Betsaal zerstört. Die Stümpfe von Hunderten Säulen wurden wiederaufgestellt und vermitteln heute eine Ahnung von den Ausmaßen, die dieses Gebäude hatte.
Casablanca für Schnelle
Leider blieb am Ende meines Tages in Marokko nicht viel Zeit für Casablanca: Fotostopps bei Rick’s Café und der Hassan-II.-Moschee mussten genügen. Ein kurzer Sprung ins Gewimmel des Souks, auf der Suche nach einer Tajine. Man möchte tiefer eintauchen in die fremde Kultur, ein Stückchen mitnehmen, um sich zuhause weiter anzunähern. Und die Reiseleiter haben ihre liebe Not mit den Passagieren. So auch Julie in ihrem neuen Job an Bord der „Golden Crown“:
Die Hitze der Stadt schlug ihnen entgegen, als sie sich auf den Weg in die Altstadt machten. Der kleine Guide mit den wachen Augen lief rasch voran und Julie hatte zutun, die Gruppe zusammenzuhalten. Nur mit Mühe konnte sie das junge Paar aus Kabine 304 dazu bewegen, zur Gruppe aufzuschließen. Die beiden wären um ein Haar in ein Souvenirgeschäft abgebogen. Manchmal ähnelte ihr Job mehr dem eines Schafhirten als einer qualifizierten Tätigkeit.
aus: „Zwischen Meer und Sternen“ von Jennifer Summer
Mein Tipp für Marokko
Ich hatte selbst noch nicht die Gelegenheit, aber es steht ziemlich weit oben auf meiner Bucket-List – eine Übernachtung in der Wüste. Die Augen der Kollegen, die hinter diesen Punkt bereits einen Haken gesetzt haben, leuchten! So viele Sterne, die Stille, das authentische Essen – eine Reduktion auf das Wesentliche. Wer sich inspirieren lassen möchte: Hier geht es zu den Erfahrungen meines lieben Kollegen Franz, der in der Wüste von Abu Dhabi übernachtet hat (das ist zwar nicht Marokko, aber gilt auch :-)).
Mein neuer Roman „Zwischen Meer und Sternen“ ist gerade im Lektorat. Auch die ersten Coverentwürfe bekomme ich bald. Möchtest du bei der Geburt dabei sein? Dann folge mir gern auf Facebook und abonniere www.facebook.com/jennifersreiseromane. Ich freue mich auf dich!