Die wohl schönste Art sich Lissabon zu nähern, ist auf dem Wasserweg. Auch ich durfte die stolze portugiesische Stadt bei meinem ersten Besuch vom Rio Tejo aus kennenlernen. Lissabon war einst einer der größten Häfen der Welt. Kein Wunder, dass kleine Kreuzfahrtschiffe rund drei Stunden für die Passage bis ins Herz der Stadt brauchen. Linkerhand grüßt der massive Torre de Belém, rechterhand die Christusstatue gleich neben der Ponte 25 de Abril, die nicht nur wegen ihrer roten Farbe an die Golden Gate Bridge erinnert. Wo vor dem Erdbeben von 1755 das königliche Schloss stand, öffnet sich heute der Praça do Comércio zum Ufer hin, ein Blick durch den mächtigen Triumphbogen in der Mitte lässt die belebte Haupteinkaufsstraße erahnen.

Kurz darauf machen die kleinen Hochseekreuzer fest – nahe des Stadtteils Alfama oder sogar direkt neben der großen Bahnstation Santa Apolónia. Von hier aus kommt man mit dem öffentlichen Nahverkehr so ziemlich überall hin. Bei meinem ersten Besuch von Lissabon fuhr ich zunächst zum Torre de Belém. Das historische Bauwerk faszinierte auch meine Protagonistin Julie sogleich.

Könnte der massive Leuchtturm sprechen, würde er von der großen Karacke Vasco da Gamas erzählen, die 1524 vorbeizog. Vom großen Erdbeben im Jahr 1755, das ihm seinen Zwillingsbruder auf der gegenüberliegenden Seite des Tejos raubte. Von düsteren Zeiten als Gefängnis und Waffenlager. Und von Tausenden Touristen, die heute täglich auf die Aussichtsplattform drängen, um den Duft der weiten Welt wahrzunehmen. 

aus: „Zwischen Meer und Sternen“ von Jennifer Summer (erscheint im März 2021)

Mein Tipp: Das Marinemuseum

Um mehr über die großen portugiesischen Entdecker zu erfahren, empfiehlt sich ein Besuch des Marinemuseums, das ebenfalls im Stadtteil Belém beheimatet ist. Bereits im Eingangssaal begrüßt eine Statue von Heinrich dem Seefahrer die Besucher. Sein Name ist irreführend, der portugiesische Königssohn wagte sich selbst nie auf eine Seereise. Er initiierte lediglich viele Expeditionen in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn es gehörte schon eine große Portion Mut dazu, sich mit einer Karavelle auf die Ozeane zu wagen. Die Nussschalen mit geringem Tiefgang lagen zwar gut am Wind – aber wohin dieser die Schiffsführer genau treiben würde, war oft unklar.

Navigation, Kartografie und Schiffbau wurden durch die portugiesische Seefahrt entscheidend vorangetrieben. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts konnten die Seefahrer mithilfe des Quadranten bereits ihren Breitengrad bestimmen, auch der Kompass wurde genauer. Madeira und die Azoren wurden besiedelt, Afrika erkundet, die Kapverden entdeckt. Die mutigen Männer leisteten die Vorarbeit für die großen portugiesischen Namen, die kurz darauf folgten: Vasco Da Gama fand 1499 von Lissabon aus den Seeweg nach Indien um das Kap der Guten Hoffnung. Und Magellan bewies 1519 mit der ersten Weltumsegelung die Kugelgestalt der Erde.

So ist es kaum verwunderlich, dass im Maritimen Museum eine Menge portugiesischer Seefahrerstolz wahrnehmbar ist. Neben Funden aus alten Schiffswracks und historischen Karten können die Besucher auch einen Blick in die Kammern der königlichen Yacht Amélia werfen. Juan Carlos hatte das Schiff 1901 zu Forschungszwecken angeschafft. Im Ostsaal sind Objekte des Orients vereint. Eigentlich könnte man im Maritimen Museum einen ganzen Tag verbringen, wenn es nicht noch so viel mehr in Lissabon zu entdecken gäbe …